Man müsste eigentlich ganz anders anfangen. Nicht mit Theorie.
Sondern mit dieser absurden, lückenlos dokumentierten Abfolge von Szenen, die wie eine einzige Realsatire wirken:
- Kritiker werden aus der Bundespressekonferenz geworfen.
- Journalisten melden ihre Interviewpartner beim Verfassungsschutz, Teile von Interviews werden zensiert, weil die „Falschen“ darin sprechen.
- Eine SPD-Oberbürgermeisterin schwärzt ihren politischen Konkurrenten bei den LIBKn Behörden an.
- Friedrich Merz stellt sich im Bundestag hin und verkündet, wie frei und demokratisch dieses Land sei.
- Und Ursula von der Leyen preist in Finnland die Meinungsfreiheit – während wenige Meter vor ihr ein Kritiker abgeführt wird. Mit dem Zusatz: „Wären wir in Moskau, säßen Sie jetzt im Gefängnis.“
Und dann fragt man sich:
Ist das alles nur Realitätsverweigerung?
Oder ist es mehr?
Ich mache diesen Wahnsinn beruflich. Ich dokumentiere ihn jeden Tag. Und doch ertappe ich mich immer öfter bei der Frage, die tiefer reicht als all das:
Was geht in diesen Menschen vor?
Wie kann man auf einer Bühne für die Pressefreiheit werben und gleichzeitig zusehen, wie sie mit Füßen getreten wird?
Das Video von Ursula von der Leyen ist in dieser Hinsicht exemplarisch. Ihre Worte: ernst, staatsmännisch, überzeugt. Ihre Haltung: selbstsicher. Die Realität: In genau diesem Moment wird ein friedlicher Zwischenrufer abgeführt. Nicht in Moskau. Nicht in Ankara. In Finnland. Bei einer EU-Veranstaltung.
Das besonders Absurde und Gefährliche ist: Ich bin überzeugt, viele dieser Menschen würden jeden Lügendetektortest bestehen, wenn man sie fragte, ob sie nur die Demokratie verteidigen. Sie glauben das wirklich. Und genau das macht es so schizophren: Die übelsten politischen Systeme der Geschichte – ob internationaler Sozialismus, nationaler Sozialismus oder andere totalitäre Varianten – wurden ganz wesentlich von Menschen getragen, die überzeugt waren, „nur das Gute“ zu tun. Das Problem ist nicht die Farbe des Totalitarismus. Das Problem ist das totalitäre Denken. Bei dem Menschen mit anderer Meinung zum Feind werden. Für dessen Bekämpfung alles erlaubt ist.
Wie kann es sein, dass ausgerechnet Menschen wie von der Leyen, die Tochter von CDU-Ministerpräsident Ernst Albrecht – aufgewachsen im Herzen der westdeutschen Demokratie, geprägt durch ein freiheitliches Elternhaus, Teil der bürgerlichen Mitte – so etwas tun? Wie kann eine SPD-Oberbürgermeisterin ihren politischen Gegner anschwärzen – und sich dabei offenbar im Recht fühlen? Wie kann ein Friedrich Merz, langjähriger Hoffnungsträger der Konservativen, derjenigen, die mit Merkel haderten, von Freiheit sprechen – während er zusieht, wie sie Tag für Tag eingeschränkt wird?
Vielleicht liegt es an der kognitiven Dissonanz: Wer sich selbst als Demokrat versteht, kann schwer ertragen, dass er faktisch autoritäre Strukturen stützt. Also redet er sich ein, dass es „nur die Radikalen“ trifft. Dass er die Demokratie „beschützt“. Dass die anderen „gefährlich“ sind. Und dass alles, was man ihnen antut, gerechtfertigt ist.
Gegen „Faschisten“ ist alles erlaubt – das ist der Satz, der nie ausgesprochen, aber überall gedacht wird. Eine alte DDR-Methode. Merkel hat sie erfolgreich in die Bundesrepublik importiert. Die „Gefahr von rechts“, eine Erfindung von KGB und Stasi, wurde zum politischen Schweizer Taschenmesser: moralische Immunisierung, mediale Disziplinierung, Machterhalt. Und die bürgerlichen Politiker – sie fielen reihenweise darauf herein.
Hinzu kommt ein zweiter, oft übersehener Punkt: Diese Politiker wissen, dass ihr persönliches Überleben im politischen Geschäft vom „Angenommensein“ abhängt – von den Medien, vom Kulturbetrieb, vom akademischen Milieu. Da diese Bereiche in Deutschland seit Jahrzehnten extrem links geprägt sind, verschiebt sich der gesamte politische Kompass. Die vermeintliche Mitte rückt immer weiter nach links, weil nur dort die Bestätigung winkt. Wer dazugehören will, passt sich an – und wer sich anpasst, merkt irgendwann nicht mehr, wie weit er seine ursprünglichen Werte verlassen hat.
Friedrich Merz ist das beste Beispiel dafür.
Vielleicht ist es nicht einmal Bosheit. Vielleicht ist es Schwäche.
Nicht Machtgier – sondern Angst, ungeliebt zu sein. Angst, ausgeschlossen zu werden. Angst, ein „Falscher“ zu sein in einem Klima, das die Falschen gnadenlos markiert. Und wer einmal zu weit mitgelaufen ist, kann nicht mehr zurück, ohne das eigene Selbstbild zu zerstören.
Also läuft man weiter.
Mit guter Miene.
Mit Sonntagsreden.
Mit Applaus.
Dabei ist der Wahnsinn absolut sichtbar:
- Kritik ist heute „Hass“.
- Abweichung ist „Radikalisierung“.
- Meinungsvielfalt wird zur „Gefahr für die Demokratie“.
- Demokratie ist zum Theater geworden – mit festen Rollen. Wer nicht passt, fliegt raus.
- Buntheit, Vielfalt und Toleranz, das Mantra von Rot-Grün, steht für genau das Gegenteil.
Vielleicht ist das der eigentliche Absturz der bürgerlichen Mitte: nicht der Verlust an Macht – sondern der Verlust an Begriffen, an Klarheit, an Kompass.
Und genau darin liegt die Gefahr:
Nicht nur der offene Autoritäre ist eine Gefahr – sondern der, der nicht merkt, dass er längst einer geworden ist.
Vielleicht ist das alles kein kalter Plan, sondern ein schleichender Prozess. Vielleicht haben sich diese Menschen gar nicht so sehr verändert. Vielleicht waren sie nur nie so frei, wie wir dachten.
Vielleicht haben sie die Freiheit nie wirklich verstanden – sondern nur ertragen.
Solange sie nicht gestört hat.
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