Der Westen und viele westliche Medien waren überrascht über den Fall von Assad in wenigen Tagen, nachdem sich das Regime über ein Jahrzehnt an der Macht halten konnte. Noch wenig beachtet wurde hier das Engagement der Ukraine in Syrien und speziell die Zusammenarbeit mit dem militärischen Arm der islamistischen Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS), die Damaskus erobert und Assad vertrieben haben.
Assad wurde lange von Russland gestützt, jetzt wurde dem ehemaligen syrischen Machthaber diese Zusammenarbeit offenbar zum Verhängnis. Haben gar die Amerikaner, die Franzosen oder die Engländer die Ukraine bei ihrem Einsatz in Syrien unterstützt?
Diese Frage beschäftigte am 4. Dezember 2024 auch die Regierungspressekonferenz. Erstaunlich war hier die dünnhäutige fast Patzigkeit des Sprechers des Regierungssprechers gegenüber dem Fragensteller. Hier der ungeschnittene Dialog:
Florian Warweg für Nachdenkseiten:
Die ukrainische Seite hat ja mit kaum verhohlenem Stolz erklärt, dass sie die dschihadistischen Verbände, namentlich die Al-Qaida-Abspaltung HTS, die derzeit gegen die syrischen Regierungstruppen in die Offensive gegangen ist, in Kampftaktiken und dem Einsatz von improvisierten Kampfdrohnen ausgebildet und ausgerüstet hat. Dazu gibt es unter anderem auch einen ausführlichen Bericht in der „Kyiv Post“. Den Hintergrund der HTS hat der Herr Fischer ja am Montag hier schon ausgeführt, sie war einst Al-Nusra- und Al-Qaida-affiliiert. Meine Frage wäre, da der Kanzler bei seinem kürzlichen Ukrainebesuch ja noch einmal betont hatte, dass Deutschland an der Seite Kiews steht, ob das auch für die Ausbildung und Bewaffnung von Dschihadisten durch die Ukraine in Syrien gilt. Werden da aus Sicht des Bundeskanzlers auch unsere Werte verteidigt?
StS Hebestreit:
Ich finde es immer wieder faszinierend, wie Sie Dinge zusammenbinden, die nicht zusammengehören. – Zu diesem Fall: Das hat keinerlei Rolle beim Besuch des Bundeskanzlers gespielt. Wir stehen an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer, nachdem sie von Russland seit bald drei Jahren mit einem erbarmungslosen Vernichtungskrieg überzogen werden, der weiterhin die Infrastruktur, die Energieinfrastruktur und Zivilisten unter Beschuss nimmt, und das vor dem dritten Kriegswinter. Das ist die Botschaft, die der Bundeskanzler deutlich gemacht hat, dass wir dazu stehen und sie unterstützen. Wir unterstützen sie militärisch, wir unterstützen sie politisch, wir unterstützen sie finanziell, und in Deutschland sind knapp 1,3 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer untergekommen, um Schutz vor diesen furchtbaren Angriffen zu suchen. Das ist das Thema, das der Bundeskanzler auch mit Präsident Selenskyj besprochen hat, und darauf bezog sich auch seine Aussage.
Zusatzfrage:
Das ist zum einen noch keine Antwort auf meine Frage, wie der Kanzler das ukrainische Vorgehen in Syrien bewertet.
StS Hebestreit
Das kann ich Ihnen beantworten: Das bewertet der Bundeskanzler gar nicht.
Zusatzfrage:
Aber kann die Bundesregierung denn vollumfassend ausschließen, dass Mittel und Ausrüstung, die an die Ukraine gingen, von dieser genutzt worden sind, um entsprechende Dschihadistenverbände in Syrien oder auch Sub-Sahara-Afrika auszubilden?
StS Hebestreit:
Ich kenne den Verdacht noch nicht einmal, den Sie hier äußern. Ich habe keinerlei Hinweise darauf, dass der von Ihnen geäußerte Verdacht in irgendeiner Weise virulent wäre.
Zusatzfrage:
Ich wollte lediglich fragen, ob Herr Fischer denn dazu mehr Informationen vorliegen. Vielleicht zeigt sich das Auswärtige Amt ja informierter als der Regierungssprecher.
Fischer (AA):
Ich werde mich dem Regierungssprecher selbstverständlich anschließen und mich auch nicht an irgendwelchen Spekulationen beteiligen.
Zusatzfrage:
Das sind öffentliche Ausführungen der ukrainischen Seite. Ich habe ja auch noch einmal auf eine der Quellen hingewiesen, die „Kyiv Post“, eine der bekanntesten englischsprachigen Zeitungen, die sonst oft auch im Gegenzug von Ihnen zitiert wird und die das sehr detailliert aufgedröselt hat.
StS Hebestreit:
Ich glaube nicht, dass wir uns hier je auf irgendwelche einzelnen Medienberichte gestützt haben. Insofern müssen Sie zur Kenntnis nehmen, wie wir das jetzt Ihnen gegenüber dargelegt haben. Ihre Kommentare können Sie machen, wie Sie wollen ‑ das ist Ihr gutes Recht ‑, aber wir können nur in Bezug auf das antworten, wofür uns Fakten vorliegen.
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Der hier so kontrovers diskutierte Bericht der englischsprachigen Zeitung aus Kiew findet sich hier. Dort ist auch nachzulesen, dass es sich in Syrien im Wesentlichen um eine Aktion des ukrainischen Militärnachrichtendienstes GUR handeln soll.
Wie konkret hat die Unterstützung der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) und möglicherweise andere Gruppierungen durch den ukrainischen Militärnachrichtendienst ausgesehen?
Die Ukraine soll der HTS vor ihrer Machtübernahme in Syrien Drohnen zur Verfügung gestellt haben. Diese Unterstützung soll im Rahmen von Geheimdienstoperationen erfolgt sein, um die Rebellen bei ihren militärischen Operationen zu unterstützen.
Auch soll der ukrainische Geheimdienst Kontakte zu militanten Gruppen in Syrien unterhalten haben, um diese gegen Russland zu mobilisieren. Diese Aktivitäten umfassen angeblich auch Verhandlungen und die Bereitstellung von Drohnen als Bezahlung für solche Kooperationen.
Von besonderer Brisanz ist auch die Frage, in wie weit Hilfsgelder und Ausrüstung, die ursprünglich für die Ukraine bestimmt waren, möglicherweise bei dschihadistischen Gruppen in Syrien gelandet sein könnten, darunter auch bei der HTS. Dafür wäre eine noch komplexere Vernetzung notwendig, als bisher bekannt.
Ein New Yorker Internetportal berichtete, dass die Ukraine etwa 150 Drohnen an die HTS geliefert haben soll. Diese Drohnen sollen FPV-Drohnen (First-Person-View) gewesen sein, die für präzise Angriffe verwendet werden können.
Die Drohnen sollen von bis zu zwanzig erfahrenen Drohnenoperatoren aus der Ukraine begleitet worden sein, um die HTS bei der Nutzung dieser Drohnen zu unterstützen. Die Unterstützung soll kurz vor der Machtübernahme der HTS in Syrien erfolgt sein.
Für Experten interessant dürfte zudem sein, welchen Weg hier Menschen und Material genommen haben um in den vor der Machtübernahme vom HTS kontrollierten Bereich um Idlib zu gelangen.
Weitere Medienberichte schreiben demgegenüber, dass die ukrainische Unterstützung beim Sturz von Assad eine „bescheidene Rolle“ gespielt haben soll. Es scheint, dass diese Hilfen mehr symbolischen Wert hatten, um die Fähigkeiten der HTS zu verstärken und gleichzeitig eine Message an Russland zu senden, dass die Ukraine auch außerhalb ihrer Grenzen aktiv ist.
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Author:
Alexander Wallasch